Kategorie: Serienbesprechung
"Hohlbeins – Der Greif"
Zwischen 90ern und Mittelalter: Fantasyserie nach dem Roman von Wolfgang und Heike Hohlbein
Unterrichtsfächer
Thema
Krefelden 1994: Der introvertierte Teenager Mark hat es nicht leicht. Schon sein verstorbener Vater galt als verrückt. Er selbst wird immer wieder von Halluzinationen heimgesucht und ist wegen seiner Wutausbrüche in therapeutischer Behandlung. Lastet ein Fluch auf der Familie? Zum 16. Geburtstag enthüllt ihm sein Bruder Thomas die Geheimnisse der Familienchronik, ein vom Vater hinterlassenes Buch mit grausigen Darstellungen einer anderen, gewöhnlichen Sterblichen verborgenen Welt. Mark sei ein "Weltenwanderer" und dazu ausersehen, diese Welt des "Schwarzen Turms" vom mythischen Greif zu befreien, der dort die Menschen unterjocht. Der erwählte Held sieht nur das wirre Gekritzel einer verstörten Seele. In der Schule verspottet und in die Tochter seines Psychologen Becky verliebt, hat er überhaupt andere Probleme. Doch die nächtlichen Alpträume haben nicht gelogen. Als sein Bruder in die andere Welt entführt wird, müssen Mark, sein abenteuerlustiger Freund Memo und Becky ihm dorthin folgen.
Die sechsteilige Amazon-Prime-Serie beruht auf dem bekannten gleichnamigen Fantasy-Roman (Glossar: Zum Inhalt: Adaption) von Wolfgang und Heike Hohlbein aus dem Jahr 1989 und wechselt geschickt zwischen Alltäglichem und Übernatürlichem. Im fiktiven Krefelden – Wolfgang Hohlbein wuchs in Krefeld auf – stehen zunächst gewöhnliche, teilweise humoristisch betrachtete Teenagerprobleme im Vordergrund. Mark, der im Plattenladen seines Bruders arbeitet, gilt in der Schule als verschlossener "Freak". Memo, Heavy-Metal-Fan und Sohn eines Taekwondo-Meisters, glänzt vor allem an der Luftgitarre. Wie im Zum Inhalt: Fantasy-Genre üblich, erhalten sie die Chance zur Bewährung. Die von gehörnten Dämonen beherrschte Parallelwelt lässt sich als düstere Version des von J. R. R. Tolkien (Der Herr der Ringe) geschaffenen Kosmos Mittelerde betrachten. In ihrer stilistischen Ausgestaltung mischen sich mittelalterliche Höllendarstellungen mit der Phantastik von seit den 1980er-Jahren populären Rollenspielen (zum Beispiel Dungeons & Dragons). Marks Halluzinationen bzw. Alpträume sind mit typischen Horror-Elementen wie bedrohlicher Zum Inhalt: Filmmusik und sogenannten Zum externen Inhalt: Jump-Scares (öffnet im neuen Tab) versetzt. Die leichten Schockmomente erfüllen den Zweck, auch ein zarter besaitetes Publikum an diese unheimliche Welt heranzuführen.
Die Tradition des phantastischen Films, in der Weimarer Republik mit Schauerfilmen wie Zum Filmarchiv: "Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens" (F. W. Murnau, D 1922) noch virulent, gilt in Deutschland seit langem als abgerissen. "Hohlbeins – Der Greif" orientiert sich denn auch eher an US-amerikanischen Formaten wie der Netflix-Serie Zum Filmarchiv: "Stranger Things" (Matt und Ross Duffer, USA seit 2016). In den künstlerischen Fächern lässt sich dennoch untersuchen, wie die Serie solche Vorbilder auf ein deutsches Setting überträgt. Das Spiel mit religiös-mittelalterlicher Ikonografie – unter anderem werden Friedhofsstatuen lebendig – erlaubt Vergleiche mit der bildenden Kunst. Im Deutschunterricht können Form und Funktion von Fantasyfilmen und -literatur erörtert werden, in denen das Übernatürliche gültige Regeln und Sicherheiten außer Kraft setzt. Marks persönliche Probleme und Entwicklung in der vermeintlich realen Welt lassen sich leicht mit dieser Diskussion zusammensetzen, nicht umsonst drückt sich das Fantasygenre auch in Coming-of-Age- und Jugendliteratur aus. Mit Blick auf die Zum Inhalt: Ausstattung kann außerdem erörtert werden, wie die Serie die 1990er-Jahre ins Bild setzt. Man hört Nirvana und tauscht Musikkassetten – ist nicht auch Nostalgie eine Form der Fantasy?