Die sowjetische Literaturprofessorin Eugenia Ginzburg lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in Kasan, Hauptstadt der sozialistischen Sowjetrepublik Tatarstan. 1937 wird sie als angebliche Anhängerin trotzkistischer Umsturzpläne zu zehn Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt, wo sie die Hölle durchlebt. Eisige Kälte, Hunger und Vergewaltigungen prägen dort den Alltag. Kraft und Trost findet Eugenia in den Gedichten Ossip Mandelstams, die sie unermüdlich rezitiert, und in der Liebe zu einem deutschen Lagerarzt, den sie in einem Moment tiefster Verzweiflung kennen lernt.
Mitten im Sturm basiert auf Eugenia Ginzburgs zweiteiliger Biografie, die in Deutschland unter den Titeln
Marschroute eines Lebens (1989) und
Gratwanderung (1991) erschien. Allerdings strafft die Verfilmung die Ereignisse sehr. Gravierende Auslassungen sowie der Verzicht auf drastische, schonungslose Szenen bewirken, dass der Film gemessen an Ginzburgs Buchvorlage nur eine vage Ahnung von dem schrecklichen Leben im Gulag vermittelt. Die Inszenierung wirkt zudem etwas hölzern und krankt an einem allzu üppigen
Soundtrack mit pathetischer Musik. Allerdings schildert der Film überzeugend die Mechanismen der stalinistischen Willkür-Justiz.
Dunkel ausgeleuchtete Bilder überfüllter Häftlingsbaracken und
gleißend helle Panoramen einer unüberwindbaren Steppe vermitteln aber die Ausweglosigkeit der inhaftierten Frauen.
Nur wenige Spielfilme, beispielsweise die gleichnamigen Adaptionen (Deutschland 1959, Fritz Umgelter und Deutschland 2001, Hardy Martins) des Romans
So weit die Füße tragen (1955) erzählen vom Leben in sibirischen Gulags. Deshalb bietet
Mitten im Sturm trotz einiger Schwächen einen guten Einstieg in das Thema, etwa im Geschichtsunterricht. Ausgehend von dem Leidensweg der Heldin können die Hintergründe zu Stalins Politik und seinem umfassenden Repressionssystem vertieft werden. Daran anknüpfend können Schüler/innen Stalins Terrorregime mit dem Faschismus der Nationalsozialisten vergleichen. Da das Buch von Eugenia Ginzburg ungleich stärker die Gräuel des Regimes vermittelt als der Film, empfiehlt es sich, ausgewählte Passagen aus dem Buch zu lesen. Schüler/innen können die literarische Vorlage und ihre Adaption miteinander vergleichen und die filmische Umsetzung bewerten.
Autor/in: Kirsten Liese, 03.05.2011
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