Kategorie: Filmbesprechung
"Der fantastische Mr. Fox"
Fantastic Mr. Fox
Wenn das wilde Tier erwacht – Wes Anderson hat das gleichnamige Kinderbuch von Roald Dahl als Puppentrick verfilmt.
Unterrichtsfächer
Thema
Ein Fuchs von Welt
Mr. Fox ist ein sympathischer, aber auch etwas selbstverliebter Zeitgenosse. Eines Tages ist es dem Fuchs nicht mehr standesgemäß genug, in einem Bau zu leben: Er kauft ein schickes Baumhaus, von wo aus man einen herrlichen Blick auf die drei Höfe der Bauern Grob, Grimm und Gräulich hat. Die Aussicht weckt Erinnerungen an sein früheres Leben als Hühnerdieb. Aus Liebe zu seiner Frau wechselte Mr. Fox damals jedoch das Metier und wurde Zeitungskolumnist. Nun, zusätzlich durch eine Sinnkrise angetrieben, erwacht wieder "das wilde Tier" in ihm. Heimlich begibt er sich nachts auf Diebestouren zu den drei Farmen. Fatal, dass sich die bestohlenen Bauern nicht damit abfinden können. Sie wollen den Fuchs dingfest machen und wenden dabei zunehmend rabiatere Methoden an. Das beeinträchtigt natürlich nicht nur Mr. Fox's Familie aufs Empfindlichste, sondern auch alle anderen Höhlenbewohner/innen. Dem smarten Fuchs fällt jedoch immer wieder eine Gegenoffensive ein und schließlich führt er die Tiere ins Schlaraffenland: Sie graben sich bis in einen Supermarkt vor!
Mr. Fox als Fabel
Die Hierarchie innerhalb der bunt gemischten Tiergruppe ist in der Geschichte schnell festgelegt: Mr. Fox, der den Tieren den Schlamassel eingebrockt hat, ist – absurderweise – der Anführer. Denn in seiner Selbstüberschätzung blendet er nicht nur sich selbst, sondern auch die anderen. Die Parallele zur Symbolik in Tierfabeln ist offensichtlich: Mr. Fox ist ein schlauer und charmanter Fuchs. Hinterhältig ist er aber nicht. Er zeigt sich sogar den Kaninchen gegenüber als äußerst hilfsbereit. Fuchs, Dachs, Kaninchen und Co. kämpfen in "Der fantastische Mr. Fox" gemeinsam gegen die wild gewordenen Bauern. Ihr animalischer Instinkt siegt letztlich über menschliches Kalkül, wobei Mr. Fox aber eine Lektion fürs Leben lernt: Zum Wohle der Gemeinschaft muss er eigene Triebe kontrollieren. So erzählt die Geschichte nicht nur vom Konflikt zwischen Mensch und Tier, sondern auch vom Widerstreit zwischen Verantwortung und Freiheit, Gesellschaft und Individualismus.
Kinderbuch? Kinderfilm?
Roald Dahls Vorlage (1970) ist kein Kinderbuch im klassischen Sinne. Ironisch und episodenhaft geschrieben, baut es keinen herkömmlichen Spannungsbogen auf, sondern lässt die Handlung assoziativ dahintreiben. Ähnlich ist die Dramaturgie des Films angelegt – auch insofern eine gelungene Literaturverfilmung, bei der Dialoge und Kapitelüberschriften zum Teil wortgetreu übernommen wurden. Um aus der kurzen Geschichte einen abendfüllenden Spielfilm zu machen, erfanden die Drehbuchautoren Wes Anderson und Noah Baumbach neue Handlungsstränge (etwa die im Film praktizierte Sportart "whack-bat") und fügten Figuren hinzu. So bereichert der sportliche Neffe Kristofferson nun die Familiendynamik als Antipode zu Ash, dem pubertierenden, Comic lesenden Sohn von Mr. und Mrs. Fox. Während im Buch allgemein von vier Fuchskindern die Rede ist, bekommen die beiden Jungen im Film eine eigene Individualität. Kinder können sich mit dem Konflikt zwischen den Fuchsjungen und ihrem Kampf um Liebe gut identifizieren. Schwerer dürfte es ihnen jedoch fallen, immer dem Wortwitz und dem unspektakulären Aufbau von "Der fantastische Mr. Fox" zu folgen.
Puppentrick par excellence
"Der fantastische Mr. Fox" ist wie "Wallace & Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen (Wallace & Gromit – The Curse of the Were-Rabbit" , Steve Box, Nick Park, Großbritannien, USA 2005) oder Zum Filmarchiv: "Coraline" (Henry Selick, USA 2009) ein Zum Inhalt: Animationsfilm, der in Stop-Motion-Technik hergestellt wurde. Bei dieser Technik werden Bewegungen simuliert, indem man jedes einzelne Bild geringfügig verändert und dann aufnimmt. Da Anderson jedoch nur zwölf statt 24 Bilder pro Sekunde aufnahm und dann jedes davon zweimal verwendete, bewegen sich die Figuren leicht ruckartig, was die Getriebenheit von Mr. Fox aufs Beste beschreibt. Alle Tiere sind mit echtem Fell ausgestattet, erwecken aber den Eindruck menschlicher Gestalten. Sie gehen aufrecht und haben die Physiognomie von Menschen, sind zudem jeweils charakteristisch gekleidet. Wiederholt rückt Anderson in Großaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) den mimischen Ausdruck der Figuren ins Zentrum, als würde er mit menschlichen Schauspielern/innen und nicht mit Puppen arbeiten, und lässt die Figuren so besonders lebendig erscheinen. Die Kulissen sind zudem angefüllt mit Requisiten, die man auf Anhieb kaum erfassen kann und die mit großem Aufwand gefertigt wurden.
Die Welt von Wes Anderson
Wes Anderson hat eine ganz eigene Puppenwelt geschaffen, die gleichzeitig eine typische Anderson-Welt ist. Auch in seinen anderen Filmen – etwa in "Die Royal Tenenbaums (The Royal Tenenbaums" , USA 2001) oder "Die Tiefseetaucher (The Life Aquatic" , USA 2004) – gibt es den chaotischen Patriarchen, der zunächst Unruhe stiftet, bevor er zuletzt die Situation rettet. Und auch stilistisch fügt sich "Der fantastische Mr. Fox" in sein Werk ein, was sich nicht nur in der Detailverliebtheit widerspiegelt, sondern auch in der Verwendung von 1960er- und 1970er-Jahre-Popsongs (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) oder in einer ausgeklügelten Farbgebung (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung). So tauchen in "Der fantastische Mr. Fox" keine Grüntöne auf. Der Film ist in warme, herbstliche Braun- und Rottöne getaucht, den Farben des Fuchses, und betont den charmant altmodischen Eindruck des Films.