Kategorie: Film
"Plug & Pray"
Mein Freund, der Roboter? "Plug & Pray" stellt aktuelle Forschungen zur Robotik und Künstlichen Intelligenz vor und ist zugleich eine Hommage an den Computerpionier Joseph Weizenbaum.
Unterrichtsfächer
Thema
Technik mit Tücken
"Plug and Play" – "Anschließen und Spielen": Den Werbe-Slogan, der den sofortigen und komplikationslosen Gebrauch von Heimcomputern beschwört, wandelt bereits die Eingangsszene des Films ironisch um. Joseph Weizenbaum, ehemaliger Professor im Bereich Computer und Künstliche Intelligenz am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), sitzt in seiner Berliner Wohnung am neuen Laptop. Aber egal, was Weizenbaum auch anstellt, das Gerät tut nicht, was er will. Es bleibt ihm nur Warten und Beten – "Plug and Pray".
Vom Technikpionier zum Wissenschaftskritiker
Der 2008 verstorbene Deutsch-Amerikaner Weizenbaum, der 2006 in dem Film "Weizenbaum. Rebel at Work" (Peter Haas, Silvia Holzinger Deutschland, USA, Österreich) porträtiert wird, steht auch im Zentrum des Zum Inhalt: DokumentarfilmDokumentarfilms von Jens Schanze. Weizenbaum war einst Pionier der Computertechnik und gehörte zu dem wissenschaftlichen Team, das 1948 einen der ersten elektronischen Rechner baute. 1966 entwickelte er das Spracherkennungsprogramm ELIZA, welches als einer der entscheidenden Meilensteine für die Anthropomorphisierung von Computersystemen gilt – ein Vorläufer des heutigen Roboters. Für Weizenbaum jedoch stellt ELIZA rückblickend den Punkt dar, an dem er begann, kritische Fragen über den Sinn und Zweck von Maschinen und deren Bedeutung für den Menschen zu stellen.
In den Laboratorien der Welt
Regisseur Schanze gibt in "Plug & Pray" einen Überblick über den Stand der Forschung im Bereich Robotik und Künstliche Intelligenz. Ohne jeglichen Zum Inhalt: Off-/On-TonOff-Kommentar stellt er die Arbeiten internationaler Wissenschaftler und Erfinder vor, indem er sie mal dokumentarisch beobachtend, mal als "talking heads" an ihren Arbeitsorten zeigt. So besucht er in Japan Hiroshi Ishiguro, der das Intelligent Robotics Laboratory an der Universität Osaka leitet. Sein Ziel ist es, menschenähnliche Roboter zu bauen, die etwa in der Kranken- und Altenpflege oder bei der Kinderbetreuung eingesetzt werden könnten. Und in Genua erläutert Giorgio Metta begeistert das EU-Projekt iCub, das an der Entwicklung eines lernfähigen Roboters arbeitet, kann aber dabei nicht verhindern, dass der Institutscomputer abstürzt. Im Zentrum des Films steht jedoch durchgehend Joseph Weizenbaum, auf den der Film als Stichwortgeber immer wieder zurückkommt und dessen Werdegang "Plug & Pray" anhand von eingeschnittenem Archivmaterial darstellt.
Symbiose von Mensch und Maschine
Als intellektuellen Gegenspieler Weizenbaums etabliert der Film den US-amerikanischen Forscher Raymond Kurzweil, der mit seinen Erfindungen – unter anderen dem Musiksynthesizer und dem ersten Lesegerät für Sehbehinderte – Millionär geworden ist. Als einflussreicher Zukunftsdenker legt er optimistisch seine visionären Thesen von der Verschmelzung von Mensch und Maschine dar. Durch diese Symbiose, so Kurzweil, könne letztendlich der alte Menschheitstraum von der Unsterblichkeit erreicht werden. Für Joseph Weizenbaum, der sich einem klassischen Humanismus verpflichtet fühlt, sind genau solche technikgläubigen Vorstellungen Schritte in eine falsche Richtung: Der Computer, so Weizenbaum, stiehlt den Menschen ihre Menschlichkeit.
Weizenbaum und seine Gegenspieler
Weizenbaum fungiert in "Plug & Pray" als personifiziertes ethisch-moralisches Gewissen und steht damit im Gegensatz zu den im Film befragten Forschern, die in den Interviews zeigen, dass sie offenbar wenig über ihre Verantwortung als Wissenschaftler reflektieren. Deutlich erkennbar ist die mit Weizenbaum sympathisierende Haltung des Filmemachers in der Bildsprache: Die Zum Inhalt: MontageFilmmontage inszeniert Weizenbaum als weise, dem Leben zugewandte Instanz. Man sieht ihn in seiner kleinen Berliner Wohnung der Zum Inhalt: FilmmusikMusik von Johann Sebastian Bach lauschen oder in einem Boot auf der Spree über den Sinn von Leben und Tod philosophieren - niemals ohne seinen offenbar typisch ironischen Charme. Seine technikbegeisterten "Gegenspieler" dagegen werden meist in ihren kargen Büros oder Labors gezeigt, wo kühle Zum Inhalt: FarbgestaltungFarben vorherrschen und neben den Roboter-Ersatzteilen kaum ein Hauch von Natürlichkeit zu spüren ist.
Porträt eines Humanisten
Dem Film gelingt es, einen zwar bisweilen oberflächlichen, aber äußerst verständlichen Einstieg in die komplexen Fragestellungen um "Mensch und Maschine" und "Wissenschaft und Ethik" herzustellen: Was bedeutet ein Begriff wie "Bewusstsein" im technologischen Zeitalter? Gibt es einen freien Willen, der den Menschen von der Maschine unterscheidet? Welche Rolle spielt der Tod für den Menschen und was sind die Beweggründe, diese natürliche Grenze überschreiten zu wollen? Ist ein "ewiges Leben" dank Robotik möglich und wünschenswert? Sind Wissenschaftler/innen ethisch verantwortlich für die Resultate ihrer Forschungen? Welche Schlussfolgerungen sind aus der Verwicklung von Militär und Robotik zu ziehen? Bisweilen reduziert die Zum Inhalt: MontageMontage des Films jedoch die Komplexität dieser Fragen auf einen zu einfachen Antagonismus zwischen den als naiv-zukunftsgläubig dargestellten Wissenschaftlern und dem nachdenklich-mahnenden Weizenbaum. Daher kann "Plug & Pray" auch als ein sehr zugeneigtes Porträt des während der Dreharbeiten verstorbenen Kulturkritikers verstanden werden.