Kinostart: 30.05.2024 Verleih:Film Kino Text Regie und Drehbuch: Leandro Koch, Paloma Schachmann Darsteller/innen: Mitwirkende: Leandro Koch, Paloma Schachmann, Perla Sneh, Bob Cohen u.a. Kamera: Roman Kasseroler, Leandro Koch Laufzeit: 104 min, mehrsprachige Originalfassung mit dt. Untertiteln Format: digital, Farbe Filmpreise: Berlinale 2023: Gewinner Best First Feature Award Altersempfehlung: ab 15 J. Klassenstufen:ab 10. Klasse Themen:Judenverfolgung, Musik, Geschichte, Holocaust, Judentum Unterrichtsfächer:Geschichte, Musik, Ethik/Religion, Geografie, Politik
Die jüdischen Wurzeln seiner Familie haben Leandro, der in Buenos Aires dem ungeliebten Job als Hochzeitsfilmer nachgeht, bisher wenig interessiert. Doch dann begegnet er auf einer jüdischen Hochzeit der Klarinettistin Paloma. Um ihr zu imponieren, behauptet er, einen Film über Klezmer zu drehen, obwohl er kaum etwas von der Musik weiß. Als Paloma für Recherchen und Konzertauftritte nach Europa reist, folgt ihr Leandro. In Österreich trifft er einen alten Freund, dem er von seinem erfundenen Filmprojekt erzählt und der ihm hierfür beim öffentlichen Rundfunk tatsächlich Fördermittel besorgt. Gemeinsam gehen sie auf einen Roadtrip und folgen den Spuren Palomas und des Klezmers. Im Dreiländereck von Ukraine, Rumänien und Moldawien angekommen, müssen sie jedoch feststellen, dass diese Musiktradition vor Ort beinahe ausgestorben ist. Nur in der Musik der Rom/-nja haben jüdische Melodien überlebt. Bereitwillig zeigen lokale Künstler/-innen dem Kamerateam ihr Können: Es sind letzte Zeugnisse des interkulturellen Zusammenlebens in einer einst von vielen ethnischen Gruppen bewohnten Region.
Leandro Koch und Paloma Schachmann sind selbst die Hauptdarsteller/-innen ihres Roadmovies, das an eine lange Reihe von Filmen über jüdisches Leben in Osteuropa und dessen Vernichtung anschließt. Im Unterschied jedoch zu Filmen wie Anatevka (Norman Jewison, USA 1971), Alles ist erleuchtet (Everything is Illuminated, Liev Schreiber, USA 2005) oder auch Ivan und Abraham (Moi Ivan, toi Abraham, Yolande Zauberman, FR 1993) wählte das Regie-Duo nicht das Spielfilmformat, um die ausgelöschte Schtetl-Kultur zu visualisieren und griff auch nicht wie Three Minutes – A Lengthening (Bianca Stigter, USA/NL 2022) auf die wenigen erhaltenen Filmdokumente zurück – Das Klezmer Projekt bewegt sich semifiktional zwischen Spiel- und Dokumentarfilm. Über dem ausschließlich zeitgenössischen Bildmaterial liegt immer wieder kontrapunktisch ein Voice-Over, in dem eine Frau auf Jiddisch die Geschichte des Totengräbers Yankel aus einem Schtetl vorliest. Die Erzählung weist Parallelen zu der des Hauptdarstellers Leandro auf, entführt die Zuschauer/-innen aber auch in eine heute nicht mehr existierende Welt. Die Kamera agiert zumeist statisch (Glossar: Kamerabewegungen). Abwechselnd zeigt sie Landschaften, Orte und Menschen in ihrem Alltag. Die Einstellungen evozieren die Leerstelle, die der Verlust der jiddischen Kultur darstellt. Zugleich laden sie im Zusammenspiel mit der Erzählung und dem Klezmer ein, sie mit imaginierten Bildern zu ergänzen. Unterbrochen werden die Aufnahmen durch kurze Interviewsequenzen (Glossar: Sequenzen) und musikalische Intermezzi (Glossar: Filmmusik). Die Roma-Musik funktioniert dabei wie die jiddische Sprache als kulturelles Gedächtnis.
"Wir suchten nach Musikern, Synagogen, Hochzeiten, Konzerten, aber fanden nichts", sagt Leandro einige Tage nach Ankunft des Kamerateams in der Ukraine. Diese Aussage führt zu der Frage nach dem Grund des Verschwindens und kann im Geschichtsunterricht die Auseinandersetzung mit der Zerstörung jüdischen Lebens in Osteuropa durch den Holocaust einleiten. Nach 1945 lebte die ostjüdische Tradition im Exil weiter, vor allem in Nord- und Südamerika, wohin rund zweieinhalb Millionen Jüdinnen und Juden zwischen 1880 und 1930 emigriert waren – überwiegend in die USA, gefolgt von Argentinien. Zu ihnen zählte auch Leandros Familie. Vom Einzelschicksal ausgehend können Wege der Migration nachvollzogen werden, die Schüler/-innen sollten dabei lernen, zwischen ökonomisch motivierter Auswanderung, Zwangsumsiedlung, Flucht und Vertreibung zu unterscheiden. Das Klezmer Projekt liefert für die Fächer Politik oder Geografie aber auch interessante Einblicke, um sich mit den aktuellen Lebensrealitäten der Menschen im Dreiländereck Rumänien, Ukraine, Moldawien zu beschäftigen. Im Musikunterricht wiederum bietet der Film einen guten Einstieg in die Beschäftigung mit Klezmer. So könnten einzelne Melodien analysiert und das Instrumentarium dieses Genres erschlossen werden.
Arbeitsblatt zu Das Klezmer Projekt – Eine Reise auf der Suche nach den Wurzeln jiddischer Musik
Fächer: Musik, Deutsch, Ethik, Religion, Geschichte ab Klasse 10, ab 15 Jahren
Vor dem Filmbesuch:
a) Habt ihr schon mal den Begriff Klezmer gehört? Tauscht euch aus, welche Instrumente und welchen kulturellen Hintergrund ihr mit diesem Musikstil verbindet.
b) Seht euch die folgenden zwei Ausschnitte des TV-Beitrags Klezmer – Musik für die Seele an und beantwortet folgende Fragen:
Timecode (TC): 0:00:00–0:04:50
• Wo hat Klezmer seinen Ursprung?
• Wann feierte Klezmer eine Renaissance?
• Wie heißt der Klezmer-Interpret, der in der Sendung zu Gast ist?
• Welches Instrument spielt er?
TC: 0:12:50–0:13:54
• Aus welchen beiden hebräischen Wörtern setzt sich Klezmer zusammen und was ist ihre Bedeutung?
• Was bezeichnete Klezmer somit ursprünglich?
c) Seht euch den Trailer zu Das Klezmer Projekt - Eine Reise auf der Suche nach den Wurzeln jiddischer Musik an und stellt Vermutungen zur Bedeutung des Titels und zur Gattung des Films an.
Während des Filmbesuchs:
d) Achtet darauf, ob eure Vermutungen aus Arbeitsschritt c) zutreffend sind.
Nach dem Filmbesuch:
e) Fasst die Handlung des Films zusammen und klärt offene Fragen.
f) Aus welchen Gründen finden die Filmemacher/-innen anders als erhofft in Osteuropa keine jüdischen Klezmer-Musiker/-innen? Wie konnte die ursprünglich jüdische musikalische Tradition trotzdem weiterleben?
g) Welche historischen Verbindungen gibt es zwischen der Musik von jüdischen Menschen und Rom/-nja? Lest dazu den ersten Absatz des Blogs und den zweiten Absatz des folgenden Beitrags
h) Vergleicht eure Ergebnisse aus Arbeitsschritt d) im Plenum und erörtert, welche Funktion die durch ein Voiceover vorgetragene Geschichte des Totengräbers Yankel in Das Klezmer Projekt hat.
i) Erläutert, welche dramaturgischen und filmästhetischen Mittel für Das Klezmer Projekt als einen Spielfilm und welche für einen Dokumentarfilm sprechen. Tauscht euch dazu im Tandem aus und geht auf folgende Aspekte ein. Vergleicht eure Ergebnisse anschließend im Plenum.
j) Beurteilt, inwieweit ihr die experimentelle Umsetzung des Films für gelungen haltet.
k) Verfasst eine Filmkritik zu Das Klezmer Projekt. Führt dazu eure Ergebnisse aus den Arbeitsschritten e), g), i) und j) zusammen.
Autor/in: Max Stolz (Filmbesprechung), Ronald Ehlert-Klein (Arbeitsblatt), 28.05.2024
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Three Minutes – A Lengthening (Filmbesprechung mit Interview und Arbeitsblatt vom 20.05.2024) Die Zweiflers (Serienbesprechung mit Interview und Arbeitsblatt vom 08.05.2024) Unorthodox (Serienbesprechung vom 06.04.2024)
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