Die 13-jährige Clara wohnt mit ihrer Mutter Nina und ihrem Stiefvater Jon auf einem einsamen Bauernhof in den Schweizer Bergen. Clara liebt die Natur und hat ein Gespür für übernatürliche Phänomene. Als sie auf der Weide einen Bären beobachtet, will ihr zunächst niemand glauben. Später entdeckt Clara einen alten Kinderschuh, der dem gleichaltrigen Mädchen Susanna gehörte, die vor 200 Jahren auf dem Hof gelebt hat. Sie findet heraus, dass auf dem Haus der Fluch einer Bärenfrau lastet, seit Susannas Vater einen kleinen Bären gefangen hatte. Während Clara in ihrer Fantasie Susanna hilft, das Jungtier zu befreien, steigt sie in der Realität mit ihrem jungen Helfer Thomas in die Berge auf, um die Bären/innen vor Jägern zu retten.
In seinem ersten langen Kinofilm schildert der Schweizer Regisseur Tobias Ineichen ein Kinderabenteuer in einem idyllischen Bergdorf vor der imposanten Kulisse der Bündner Alpen. Eine agile
Handkamera bannt die wiederholten Begegnungen mit Bären in eindrucksvolle Naturaufnahmen. Mit Hilfe von
Rückblenden schlägt der Film einen Bogen von der Jahrhunderte zurückliegenden Verfolgung der Bären durch habgierige Bergbewohner/innen zu heutigen Wilderern. Durch die enge Verzahnung mehrerer Zeitebenen und die Verwischung der Grenzen zwischen Realität, Erinnerung und Fantasie entsteht ein stimmungsvoller Erzählkosmos mit Mystery-Elementen. Auffällig ist die häufige Verwendung der
Vogelperspektive: Wenn die Kamera vom Hubschrauber aus auf den einsamen Hof blickt oder vom Kran aus Clara und Thomas auf einer Wiese zeigt, betont dies ihre Isolation.
Im Deutschunterricht liegt eine Gegenüberstellung der Mystery-Geschichte um die alte Bärenfrau, die als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird, und traditionellen Sagen oder Legenden nahe. Zudem bietet sich ein Vergleich zwischen dem Kinderbuch
Der Fluch der Bärin und der filmischen Umsetzung an. Aus welchem Grund wurde wohl die Story von den französischen Pyrenäen in die Schweizer Berge verlegt? Wieso hat der Drehbuchautor den Stoff mit Schweizer Legenden und Überlieferungen kombiniert? Ferner kann analysiert werden, wie sich die Darstellung des Bergdorfs vom Alpenidyll der
Heidi-Filme und -Bücher unterscheidet. Das Motiv der Hexenverfolgung eignet sich zudem als Gesprächsgrundlage für die Fächer Geschichte und Ethik: Warum wurden manche bestimmte Frauen im Mittelalter als "Hexen" ausgegrenzt, diskriminiert und getötet? Wie gehen wir heute mit Außenseitern/innen um? Die Verfolgung der Bären bietet auch Ansatzpunkte für eigene Recherchen im Fach Biologie: Warum wurden die Raubtiere in Europa fast ausgerottet? Wo leben heute (wieder) wilde Braunbären?
Autor/in: Reinhard Kleber, 17.05.2013
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