"Liebe ist was für Erwachsene", sagt Annes Mutter. Anne, zehn Jahre alt, ist davon ebenfalls überzeugt, bis Philipp in ihr Viertel zieht. Das Problem: Jungs verknallen sich für gewöhnlich in die "perfekte", blonde Ellen. Anne hingegen ist ein Tollkopf und kletterte bisher eher auf Bäume als auf ihr Äußeres zu achten. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin heckt Anne einen Plan aus, damit ihre Geschichte glücklicher endet, als das Schauermärchen von Helga, die einst - blind vor Liebe - allerlei Dummheiten anstellte. Seitdem soll ihr Geist im Ort spuken. Doch Anne muss einsehen, dass sie nicht zu ähnlich fiesen Mitteln wie ihre Rivalin Ellen greifen kann, wenn sie Philipps Herz gewinnen will.
Anne liebt Philipp ist ein lebensnaher, zugleich witziger und ernster Film über die erste Liebe. Werden Anne und ihre Freunde anfangs noch als unbekümmerte Kinderschar in einer clipartigen
Montage porträtiert, die wie eine Reihe lustiger Privatvideos wirkt, löst Philipps Auftauchen tiefe Gefühle, harte Konkurrenzkämpfe und manch böses Wort aus. Immer aus der Perspektive von Anne erzählt, betonen
Großaufnahmen des verliebt lächelnden Mädchens und sanfte, heitere
Filmmusik Momente des Glücks. Demgegenüber werden bei Krisen des Mädchens klassische Horrorfilmelemente eingesetzt, etwa gruselige Soundeffekte oder harte
Schnitte. Auch die märchenhafte Helga-Geschichte wird als unheimlicher Film im Film wiedergegeben. Weitere Visualisierungen von Annes Fantasien persiflieren eher andere Medienformate, was wiederum für komische Höhepunkte sorgt.
Mit diesem einfallsreichen Stilmix gelingt es, den norwegischen Kinderbuchklassiker
Jørgen + Anne = sant (1984) von Vigdis Hjort in einen zeitgemäßen und mitreißenden Film zu übertragen. Das Auf und Ab der ersten Liebe ist Anlass, um über Rollenzuschreibungen sowie die Auswirkungen von positiven wie negativen Gefühlen auf das Verhalten sich selbst und seiner Umwelt gegenüber zu sprechen: Inwiefern können Freundschaften in Mitleidenschaft gezogen werden? Muss man so "perfekt" wie Ellen auftreten, um beliebt zu sein? Ist Anne wirklich "eigenartig"? Wann ist ihr Handeln gerechtfertigt, wann nicht? Ein genauer Blick auf die Machart des Films schärft zudem das Bewusstsein für die verwendeten filmsprachlichen Mittel und deren Wirkung. Zur Vertiefung bietet sich die Anfertigung von eigenen Porträts oder Persiflagen an.
Autor/in: Marguerite Seidel, 08.12.2011
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.