Wichtiger Hinweis:

Hinweis für Lehrende: Der Film "Innen Leben" enthält eine Szene, in der eine Vergewaltigung dargestellt wird. Auch wenn kinofenster.de den Film für den Unterricht ab der 11. Klasse empfiehlt, liegt es im Ermessen der Lehrenden, ob der Film für die jeweilige Lerngruppe geeignet ist. Im Zweifelsfall empfiehlt sich eine Sichtung des Films vor dem Kinobesuch mit der Lerngruppe beziehungsweise vor dem Einsatz des Films im Unterricht.

Langsam schieben sich fremde Zum Inhalt: Geräusche zwischen das Vogelgezwitscher und den leisen Verkehrslärm von Damaskus: Gewehrsalven, der drohende Puls von Helikopter-Rotoren, Druckwellen ferner Explosionen. Die Gefahr ist hautnah herangerückt an die Bewohner/-innen eines umkämpften Viertels der syrischen Hauptstadt. Bloß um wenige Zentimeter verfehlt schon in der ersten Filmminute die Kugel eines feindlichen Scharfschützen eine Gruppe von Menschen auf der Straße. Ihre Flucht hinterlässt einen menschenleeren Schauplatz – nur noch Staub, Trümmer, alte Autoreifen und ein ausgebranntes Autowrack sind zu sehen. Der Zum Inhalt: Gegenschuss zeigt schließlich den stillen Beobachter dieser Zum Inhalt: Szene: einen erschöpften, kettenrauchenden, alten Mann am Fenster jenes Apartments, das Zum Inhalt: Handlungsort des Films bleiben wird. In der ersten Stunde von "Innen Leben" wird die Kamera die Wohnung nicht mehr verlassen. Ein Schutzraum und zugleich Gefängnis für die elf Menschen, die hier leben.

Unter ihnen scheint einzig Halima hoffnungsvoll, die junge Mutter, die im Gästezimmer der Familienwohnung untergebracht ist. Ihre Flucht mit dem Baby nach Beirut ist vorbereitet. Ihr Mann Samir hat alles organisiert. Aber sein Versuch, die Wohnung zu verlassen, wird wenige Minuten später fatal enden: Scheinbar leblos liegt Samir hinter dem Autowrack auf dem Hof, der Scharfschütze war beim zweiten Schuss erfolgreicher. "Innen Leben" entwickelt diese Szene mit einem Minimum an konstruiertem Zum Inhalt: Suspense. Gewalt bricht hier plötzlich herein, lakonisch, sinnlos, nicht kontrollierbar.

Innen Leben, Szene (© Weltkino Filmverleih)

Kammerspiel über den syrischen Bürgerkrieg

Wie erzählt man angemessen von dem blutigen Bürgerkrieg, der seit sechs Jahren in Syrien herrscht? Intime Home-Movies wie "The War Show" (Dänemark/Finnland/Syrien 2016) und Zum Filmarchiv: "Haunted" (Syrien 2014) oder der Essayfilm "Hypernormalization" (Großbritannien 2016) haben die Protestbewegungen des Arabischen Frühlings und den syrischen Bürgerkrieg mit Zum Inhalt: dokumentarischen Mitteln darzustellen versucht. "Innen Leben" , inszeniert von dem belgischen Regisseur Philippe Van Leeuw mit einem arabischen und europäischen Ensemble, entscheidet sich für die fiktionale Form. Er wählt das Zum Inhalt: Genre des Zum Inhalt: Kammerspiels, weil es ihm um Verdichtung geht. So zeigt der Film eine Gruppe von Menschen, die inmitten des syrischen Bürgerkrieges lebt. Ob die Familie in der "Schlacht um Damaskus" auf der Seite einer Kriegspartei steht (und wenn ja, auf welcher), lässt er ebenso offen wie ihren Lebensweg außerhalb dieser im Film erzählten 24 Stunden.

Die Last des Schweigens

Das Hausmädchen Delhani ist die einzige Zeugin des Schusses auf Samir. Die erste Person, der sie davon berichtet, gebietet ihr zu schweigen: Oum, die Mutter der Familie, fürchtet neue Opfer unter den Erwachsenen oder den Kindern, wenn jemand nach dem im Hof liegenden jungen Mann schauen würde: "Wie willst du ihn da wegholen? Willst du auch erschossen werden?"

Das von Oum verordnete Schweigen ist für die beiden Frauen schwer zu ertragen. Es lastet auf den Begegnungen in der Wohnung und verwandelt auch Oums und Delhanis freundliche Gesten in Lügen – selbst wenn sie Samirs Frau Halima davor bewahren wollen, im gefährlichen Tageslicht etwas Unüberlegtes zu tun. Vielleicht aber soll das Schweigen auch nur Oums Familie aus der Schusslinie halten. Delhanis Frage bleibt währenddessen unbeantwortet: "Was ist, wenn Samir gar nicht tot ist?"

Innen Leben, Szene (© Weltkino Filmverleih)

"Vergiss die Welt da draußen. Sie existiert nicht mehr", sagt Oums Schwiegervater einmal. So wie sich die Gemeinschaft bei Angriffen in der Wohnung immer weiter in abgeschottete Räume zurückzieht, so ziehen sich auch die einzelnen Figuren in sich selbst zurück. In langen Zum Inhalt: Plansequenzen wandert die Kamera mit den Figuren durch die Wohnung. Es ist eine Welt, der nach innen die Frauen die letzte Stabilität geben. Während die Männer der Hausgemeinschaft abwesend sind oder überwiegend in Lethargie verharren, nutzen andere das Chaos des Krieges, um brutal Macht auszuüben.

Die Schrecken der Außenwelt

So wird Halima von bewaffneten Männern attackiert, die in die Wohnung eingebrochen sind. Die anschließende Vergewaltigung, die sie in einer schmerzhaft in die Länge gedehnten Szene erleidet, hört Oum mit ihrer eigenen Familie tatenlos an – versteckt in einem Raum nebenan und selbst in Todesangst. Als Oum danach endlich ihr Schweigen bricht, zerreißt damit auch das Band zwischen den Frauen. Aggression ist Halimas erste Reaktion. Die zweite: ein selbstmörderischer Gang ins Freie, auf der Suche nach Samir. Kareem, der Freund von Oums Tochter, begleitet sie dabei. In der inzwischen angebrochenen Dunkelheit wartet ein neues Kapitel der Angst auf sie. Der hin und her wandernde Laserzielpunkt des Scharfschützen auf Halima, ihrem Mann und dem halbwüchsigen Kareem kündet noch einmal von absoluter Gewalt. Über Leben und Tod entscheidet der Finger am Abzug.

Es ist die Schlussszene des Films, die das Geschehene noch einmal in einem neuen Licht erscheinen lässt. Wieder steht der Schwiegervater am Fenster, wieder im kettenrauchenden Ritual, wieder blickt er in den trügerisch friedlichen Morgen hinein. Die Szene suggeriert, dass das, was wir gerade gesehen haben, nicht ein besonderer Höhepunkt des Leidens, sondern ein durchschnittlicher Tag im Leben der Figuren war – samt all dem Horror und all den fatalen Entscheidungen, die sie in der Hölle des Krieges treffen mussten.

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