"Ich stehe mit dem Rücken zur Wand und schlage mit den Mitteln zurück, die ich habe", rechtfertigt sich der US-amerikanische Großimker, während er für seine Bienen eine hochkonzentrierte Zucker-Antibiotika-Lösung mixt. Ohne dieses Doping würden die hochgezüchteten Tiere keine Saison gesund überstehen. Gleichzeitig führt diese vermeintlich einfache Lösung immer tiefer hinein in einen Teufelskreis, aus dem auch die Imker selbst keinen Ausweg sehen. Seit einigen Jahren sterben die Bienen – weltweit und massenhaft.

Der Schweizer Regisseur Markus Imhoof macht sich in seinem Zum Inhalt: Dokumentarfilm "More Than Honey" auf die Suche nach den Ursachen für diese Entwicklung. Er besucht industrialisierte Honigfarmen, Bienenzüchter/innen, die lebende Königinnen per Post in die ganze Welt versenden, und chinesische Pollenhändler/innen, die in chemieversuchten Gegenden, in denen keine Bienen mehr leben, dafür sorgen, dass die Apfelbäume von Hand bestäubt werden. Spätestens hier wird klar: Wenn die Bienen sterben, wird es uns nicht nur am Honig fehlen. Mehr als ein Drittel unserer Nahrungsmittel gäbe es nicht ohne Bienen, sagt der Regisseur, der genau weiß, was es heißt, von und mit Bienen zu leben. Imhoof stammt selbst aus einer Imkerfamilie und so beginnt der Film auch mit einem Blick in die eigene Familienhistorie und dem wunderbaren Panorama der Schweizer Alpen, wo die Natur noch intakt scheint. Doch der erste Blick täuscht, auch auf der Alm sterben die Bienen, allerdings sind hier nicht Pestizide oder lange Transportwege die Ursache, sondern die strategische Inzucht, die die Bienen gefügiger machen und den Ertrag steigern sollte.

Bienensterben und Massentierhaltung

Auf der Suche nach den Gründen für das Bienensterben wird ein Muster sichtbar: Seit Jahrhunderten reduziert der Mensch die Bienen auf ihren (wirtschaftlichen) Nutzen. Auch wenn das Schlagwort "Massentierhaltung" auf den ersten Blick nicht zu frei herum summenden Insekten passen mag – die Bienen wurden, ebenso wie Schweine und Hühner, längst zum domestizierten Objekt gemacht. Glücklicherweise geht "More than Honey" über eine Bestandsaufnahme des Problems weit hinaus: Bewusst zeigt Imhoof nicht nur das Bienensterben, sondern wirft auch einen faszinierten Blick auf das Leben dieser besonderen Tiere, die – anders als die menschlichen Protagonisten/innen – ihr individuelles Wohlergehen immer dem Gemeinschaftswohl unterordnen. Auf diesen Gegensatz verweist der Film immer wieder durch die Zum Inhalt: Montage, in der menschliches und tierisches Verhalten implizit miteinander verglichen werden.

Filmische Gratwanderung: Einblicke in das Leben der Bienen

Mit faszinierenden Aufnahmen im Mikrokosmos des Bienenstocks und sogar während des Fluges gelingt es, die Insekten jenseits des Schwarmgewimmels als Einzeltiere sichtbar werden zu lassen, ohne sie dabei zu verniedlichen oder zu personifizieren. Für die spektakulären Freiluft-Bienenaufnahmen wurde das Filmteam unter anderem von einem "Bienenflüsterer" unterstützt, der die Bienen mit Duftstoffen und verschiedenen Tricks manipulierte, um Szenen wie die Begattung einer Königin im Flug überhaupt drehen zu können. Spätestens hier wird deutlich, warum Filme wie "More than Honey" immer eine Gratwanderung bleiben (müssen). Einerseits prangert die Zum Inhalt: Dokumentation die Manipulation der Bienen durch die Menschen an, andererseits kommt sie nicht ohne sie aus. Und wie lässt sich rechtfertigen, dass das Filmteam zum Dreh mehrmals um die ganze Welt geflogen ist, wo es doch gerade die Luftverschmutzung ist, die den Bienen weltweit zu schaffen macht? Markus Imhoof ist klug genug, solche Ambivalenzen im Film zu thematisieren. Dadurch kann er umso eindringlicher darauf hinweisen, wie kompliziert es in einer verfahrenen Situation sein kann, das Richtige zu tun – als Imker genauso wie als Filmemacher.

Hoffnungsträger "Killerbienen"

Für einen Lichtstreif am Horizont sorgen – wie so oft im Kino – die "Outlaws". In diesem Fall sind das die sogenannten Killerbienen, die als Ergebnis eines Laborversuchs widerstandsfähiger, aber auch deutlich aggressiver sind als herkömmliche Bienenrassen. Der US-amerikanische Imker Fred Terry hat sich auf Killerbienen spezialisiert. Damit geht er ein deutlich größeres Risiko ein als andere Imker, denn Killerbienen sind schwer zu halten. Er wird aber auch reich belohnt, denn ihr Honig ist erstklassig. Und wenn ihm mal wieder ein Schwarm aus dem Kasten entwischt ist, dann mischt sich unter den Ärger immer auch eine große Portion Bewunderung für die geflüchteten Bienenschwärme, die lieber unerreichbar für den Menschen, ganz oben in einer Felsenspalte, ihr Nest bauen. "Die Killerbienen", so Terry, "lassen sich nicht alles gefallen – und gerade das gefällt mir so gut an Ihnen."

Die eigene Faszination weitergeben

"More than Honey" erinnert nicht von ungefähr an die im Kino sehr erfolgreichen Dokumentarfilme Erwin Wagenhofers, (Österreich 2005) und (Österreich 2008). Alle drei Filme fokussieren ein Thema, das von globaler Bedeutung ist, sie alle punkten mit einer breiten Auswahl an Interviewpartnern/innen. Anders jedoch als Wagenhofer, der ganz bewusst auf einen Zum Inhalt: Off-Kommentar verzichtet, führt bei Imhoof ein Ich-Erzähler mit sehr persönlichem Zungenschlag durch die Geschichte. Markus Imhoof hat für diesen Film das erste Mal seit 16 Jahren wieder im Regiestuhl Platz genommen, weil es ihm ein persönliches Anliegen ist, seine eigene Faszination für Bienen weiter zu geben – so, wie es sein Großvater bei ihm getan hat. Mit diesem informativen und sehr persönlichen Zum Inhalt: Dokumentarfilm könnte ihm das gelingen.

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