Kategorie: Film
"We Want Sex"
Made in Dagenham
Nigel Coles Sozialkomödie erinnert an den Streik in Dagenham 1968, als erstmals in der britischen Geschichte Frauen für ihre Rechte kämpften.
Unterrichtsfächer
Thema
Eine britische Sozialkomödie
Das britische Ford-Werk Dagenham im Jahr 1968: Gut gelaunt und schlecht bezahlt arbeiten hier 187 Frauen unter miserablen, fast frühkapitalistischen Bedingungen als Näherinnen von Autositzbezügen. Als die Konzernleitung sie zu ungelernten Arbeitskräften herabstufen will und Lohnkürzungen ankündigt, gehen die Frauen auf die Barrikaden. Sie fordern den gleichen Lohn wie ihre männlichen Kollegen. Angeführt von der zunächst unsicheren Rita O'Grady, die der Betriebsrat Albert erst dazu überreden muss, beschließen die Näherinnen den ersten Frauenstreik der britischen Geschichte. Mit Demonstrationen und Arbeitsniederlegungen machen die Frauen den arroganten Bossen, aber auch den laschen Gewerkschaftsvertretern die Hölle heiß. Unterstützung erhalten sie von der Arbeitsministerin Barbara Castle, die die streikenden Frauen zu einem Gespräch nach London einlädt. Von der Presse als "Revlon-Revoluzzerinnen" gefeiert, erringen die Arbeiterinnen einen spektakulären Triumph.
Arbeitskampf mit Folgen
In Form einer leichten, gelegentlich auch dramatischen Komödie erzählt "We Want Sex" von einer wahren Begebenheit mit Folgen. Der Arbeiterinnenstreik von Dagenham führte schon 1970 zum Equal Pay Act, der Frauen und Männern gleichen Lohn für gleiche Arbeit garantieren sollte. Während das bahnbrechende Gesetz noch immer in Kraft ist, sind seine geistigen Urheberinnen heute fast vergessen. Mit viel Esprit und Blick fürs Zeitkolorit bringt Regisseur Nigel Cole ihren Kampf auf die Leinwand, ohne politisch zu sehr ins Detail zu gehen. Der knallige deutsche Titel liegt ganz auf dieser Linie, obwohl er sich nur auf ein falsch entrolltes Protestbanner bezieht: Die Frauen wollen keinen Sex, sondern "sexual equality".
Bilder einer Ära
Zum Inhalt: Production Design/AusstattungAusstattung und Kostüm des Films orientieren sich am Stil des Swinging London, dessen Liberalität im Vorort Dagenham aber noch nicht angekommen ist. Rita, als Figur ein Amalgam mehrerer historischer Vorbilder, hat anderes im Kopf als Wimperntusche und Minirock. Morgens macht sie den Kindern das Frühstück und weckt ihren Mann Eddie mit einem Eimer Wasser. Wie in frühindustriellen Zeiten gruppieren sich die Sozialbausiedlungen der Arbeiterschaft noch immer um die Fabrik als Zentrum des täglichen Lebens. Alle in Dagenham, Männer wie Frauen, arbeiten bei Ford. Und so haben Schwierigkeiten im Werk zu Hause unmittelbare Konsequenzen. Eddie muss auf die harte Tour erfahren, wie sich weibliche Doppelbelastung anfühlt, während seine Ehefrau tagelang demonstrieren geht.
Solidarität der Frauen
Nicht zuletzt diese Verschränkung von häuslicher Sphäre und Arbeitswelt orientiert sich an den Erfolgsmustern vieler britischer Arbeiterkomödien, etwa Brassed off – Mit Pauken und Trompeten (Brassed off, Mark Hermann, Großbritannien 1996) oder "Ganz oder gar nicht" (The Full Monty, Peter Cattaneo, Großbritannien 1997). Den übergreifenden Wert bildet hier wie dort die Solidarität. Die anfängliche Unterstützung der Männer schwindet aber zusehends, als mit fortwährender Streikdauer die Autositze in der Fertigungskette ausgehen, das Werk mit Schließung droht und daheim das Geld knapp wird. Umso stärker ist der Zusammenhalt unter den Frauen. Selbst Lisa, die Gattin eines Ford-Vorstandsvorsitzenden, schlägt sich auf die Seite der Arbeiterinnen. Die Oxford-Absolventin ist es leid, den Männern bei häuslichen Geschäftstreffen die Schnittchen zu reichen. Mit ihrer Unterstützung überwindet die Solidarität die Klassengrenze – im Kampf um Emanzipation ein wichtiger Schritt.
Beispiel für Zivilcourage
Hinter dem Widerstand der männlichen Führungskräfte stehen ökonomische Zusammenhänge und komplizierte Entscheidungsprozesse, die der Film vereinfacht, aber effektiv darstellt. Zu Recht fürchten die britischen Ford-Vorstände den Einheitslohn als weltweites Modell. Die US-Hauptverwaltung des globalen Konzerns droht mit der Verlagerung der Produktion nach Übersee. Damit bringt sie auch Ministerin Castle in die Bredouille, deren Premierminister Harold Wilson um seinen Standort fürchtet. Und all das beginnt mit einer schüchternen Näherin, die, als sie begreift, dass sie benachteiligt wird, weil sie eine Frau ist, den Bossen – gegen den Befehl ihres eigenes Gewerkschaftsführers – sagt, was sie von der angeblichen Notwendigkeit ungleichen Lohns hält: "So ein Blödsinn."
Plädoyer für Gerechtigkeit
Am Ende dramatischer Entwicklungen verfällt die Komödie in ergreifendes Pathos und macht es sich damit ein wenig zu leicht: Denn der Kampf um geschlechtsunabhängigen Lohn ist bis heute nicht ausgestanden. Aber dieser idealisierende Blick auf eine ferne Epoche gehört zu einem künstlerischen Gesamtkonzept, in dem sogar einige schwarzweiße "Archivbilder" nachgestellt sind. Nigel Cole will vor allem den Geist der damaligen Zeit einem heutigen Publikum verständlich machen. Darum trotzt die Zum Inhalt: Farbgestaltungfarbige Ausstattung der grauen Realität ebenso wie die zeitlos begeisternde Zum Inhalt: FilmmusikMusik der britischen Pop-Ära mit einigen sprechenden Titeln: "All or nothing" heißt es da, oder auch "You can get it if you really want". Die streikenden Frauen von Dagenham haben alles gewollt, und viel bekommen. "We Want Sex" feiert ihren Triumph als unterhaltsames Plädoyer für Emanzipation und Gerechtigkeit.
Weiterführende Links
- External Link Website/Trailer des Films
- External Link Kritikensammlung auf filmz.de
- External Link Englische Website des Films
- External Link bpb.de: 68 in den Betrieben. Die Bewegung von 68 und die Forderung nach mehr Mitbestimmung für Arbeitnehmer
- External Link bpb.de: Der Arbeitskampf als Instrument tarifpolitischer Konfliktbewältigung
- External Link bpb.de: Gewerkschaften
- External Link bpb.de: Entwicklung Großbritanniens seit 1945
- External Link Equal Pay (englischer Text zum "The Equal Pay Act 1970")