Kategorie: Film
"Vor der Morgenröte"
"Vor der Morgenröte" , inszeniert als Stationendrama, behandelt die letzten Lebensjahre des Schriftstellers Stefan Zweig, die er im Exil in den USA und in Brasilien verbrachte.
Unterrichtsfächer
Thema
Südamerika, Sommer 1936. Ob beim Staatsempfang in Rio de Janeiro oder beim PEN-Kongress in Buenos Aires: Stefan Zweig wird gefeiert wie ein Weltstar. Das internationale Publikum liebt seine Bücher, seine Anwesenheit ehrt alle Beteiligten. Der österreichische Schriftsteller gibt die Komplimente zurück: In dieser Zeit von Kriegsgefahr und fanatischer Verblendung erscheine ihm das bunte Völkergemisch Brasiliens wie ein Blick in die Zukunft. Doch zu einer eindeutigen Verurteilung des nationalsozialistischen Deutschlands kann er sich nicht durchringen: Seine Sprache scheue die Verdammung eines Volkes, selbst jenes, das seine Bücher verbietet und ihn ins Exil trieb. Der Intellektuelle, so sieht er seine Rolle, spreche durch sein Werk. Freunde, Kollegen und Journalisten sind entsetzt. Vom damals meistgelesenen deutschsprachigen Schriftsteller wird eine klare Anklage der Nazi-Barbarei geradezu erwartet. Missverstanden und verletzt setzt er seine Reise fort. Zweig und seine zweite Frau Lotte sind heimatlos. Und die Liste der Länder, die Juden aufnehmen, wird immer kleiner.
Letzte Stationen eines Lebens
"Vor der Morgenröte" behandelt die letzten Jahre des Schriftstellers als Stationendrama. 1934 verließ Zweig angesichts des erstarkenden Nationalsozialismus Österreich. Seiner Heimat und seiner Sprache beraubt, führte ihn die Flucht erst nach London und ab 1940 endgültig aus Europa heraus. Nach Zwischenstationen in New York, Rio und Buenos Aires endete sie im brasilianischen Petrópolis, wo sich Stefan und Lotte Zweig in der Nacht zum 23. Februar 1942 das Leben nahmen. Ohne Kausalitäten herzustellen, macht der Film das Leiden am Exil zum Zentrum der Erzählung. Die Beschränkung auf einen markanten Zeitraum hat sich in neueren Zum Inhalt: Biopics als probates Mittel erwiesen, den Nuancen eines menschlichen Lebens breiteren Raum zu verschaffen. So werden Zweigs einnehmende Persönlichkeit und Weltgewandtheit – er spricht mehrere Sprachen fließend – in den ersten Szenen geschickt etabliert, um anschließend seine innere Verzweiflung zu veranschaulichen. Ersteres geschieht vor allem durch den Dialog, Letzteres durch eine gekonnt zwischen formaler Strenge und Naturalismus pendelnden Bildsprache.
Das Drama von Flucht und Exil
Zweigs Stimmungsschwankungen offenbaren sich vor allem in New York. Hier ist nicht mehr Lotte, sondern seine erste Frau Friderike seine Gesprächspartnerin. Die ehemaligen Eheleute verstehen sich gut, doch über ein schwieriges Thema entsteht Streit: Zweig sieht sich überfordert von den Bittgesuchen von Freunden und Kollegen, die sich von ihm Fürsprache bei Visumsanträgen erhoffen. Die Situation sei unerträglich, "weil momentan ein halber Kontinent auf einen anderen flüchten möchte, wenn er nur könnte". Dass er selbst von der Gastfreundschaft anderer profitiert, verstärkt nur seinen Schmerz – eine bis heute aktuelle Fluchterfahrung. Die heikle Konversation, in der sich die Sorge um die Daheimgebliebenen mit eigenen Schuldgefühlen und Ohnmacht mischt, wird zum Teil in starren Einstellungen wiedergegeben, mit der bedrückenden Anmutung eines Zum Inhalt: Kammerspiels. Als jedoch Besuch erscheint – unter anderem schauen Friderikes Töchter aus erster Ehe vorbei – löst sich die Zum Inhalt: Kamera aus ihrer Erstarrung und fängt das Geschehen in lebendigen Bildern ein. Nicht immer haben Zweigs Stimmungen einen solch konkreten Bezug zum Gezeigten. Sie überfallen ihn unvermittelt, sind Ausdruck seiner Sensibilität, die sich einfachen Erklärmustern verweigert und bis zum Schluss ihr Geheimnis wahrt.
Tragikomisch: ein Weltbürger in der Provinz
Die Besetzung mit dem bekannten österreichischen Kabarettisten Josef Hader erweist sich auch in dieser Hinsicht als Glücksfall. In einer humorvollen Szene wird das Ehepaar Zweig von einem brasilianischen Provinzbürgermeister empfangen. Der verschwitzte Würdenträger lobt in ungelenken Worten das Glück des Exils, das den berühmten Mann hierher verschlug. Eine herbeigerufene Blaskapelle intoniert dazu eine schaurige Version des Zum Inhalt: Donauwalzers, die der gebürtige Wiener mit stoischer Miene erträgt, bis sie ihm schließlich doch eine Träne entlockt. Tatsächlich könnte er dieses Leben, immerhin in Sicherheit, genießen. Und so bezeichnet er auch noch einmal, pflichtschuldig, Brasilien als das Land von morgen. Er schreibt in dieser Zeit sein Brasilienbuch, das von einheimischen Kritikern wegen seiner allzu unkritischen Darstellung verrissen wird. Doch obwohl er sich im "Paradies" wähnt, sieht Zweig innerlich keine Zukunft. Er ist ein Mann der – so der Titel seiner posthum erschienenen Biografie – "Welt von gestern". Schon viel früher, mit dem Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn, ist diese Welt verloren gegangen. Der andauernde Krieg und seine eigene Vertreibung aus der Heimat haben jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft zunichte gemacht.
Sensible Bilder aus respektvoller Distanz
In der Hitze der Zum Inhalt: Tropen bleibt der brillante Denker und glühende Menschenfreund, nicht nur äußerlich, ein Fremder. Die feinfühlige Regie von Maria Schrader und Wolfgang Thalers bemerkenswerte Kameraarbeit finden sensible Bilder für diese Fremdheit und wahren auch im tragischen Fluchtpunkt der Erzählung respektvolle Distanz: Der Doppelselbstmord – Lottes Motive bilden eine traurige Leerstelle des Films – wird nur im Spiegelbild sichtbar, das die statische Schlusseinstellung in einen Zum Inhalt: Split Screen verwandelt. Dass sich die Seele eines Menschen nicht restlos ergründen lässt, war ein zentrales Motiv des Novellisten Stefan Zweig. Mit seiner Zum Inhalt: elliptischen Erzählstruktur und einer ausgesucht bildhaften Sprache, die das allzu Eindeutige scheut und die Wahrheit des Lebens in der Kunst findet, wird der Film ihm gerecht.