Am Beispiel des Victoria-Barsches erzählt der Tiroler Dokumentarist Hubert Sauper eine deprimierende Geschichte über die bitteren Folgen der Globalisierung. In den 1960er-Jahren wurde der Nilbarsch bei einem wissenschaftlichen Experiment im ostafrikanischen Viktoriasee ausgesetzt. Im zweitgrößten Süßwassersee der Welt hatte der Fisch keine natürlichen Feinde und vermehrte sich so rasch, dass er fast alle anderen Arten verdrängte. Gegen das Öko-Desaster unternimmt aber niemand etwas, weil die weißen Filets zu einer begehrten Handelsware geworden sind: Tonnenweise werden sie jeden Tag nach Europa ausgeflogen. Mit der neuen Industrie kamen jedoch auch Ausbeutung und Korruption, Hunger und Prostitution, wie der Filmemacher bei seinen Streifzügen in der tansanischen Stadt Mwanza feststellt. Dort spricht er etwa mit Straßenkindern, die zu Aids-Waisen geworden sind, und mit russischen Piloten, die auf dem Rückflug aus Europa hin und wieder Waffenladungen für afrikanische Kriegsregionen schmuggeln. Facettenreich beleuchtet Sauper den verheerenden Wirtschaftskreislauf, den der außer Kontrolle geratene Barsch ausgelöst hat und damit zum sinnfälligen Symbol einer derangierten Weltordnung wird. Durch eine fahrige Kameraführung und eine sprunghafte, zuweilen willkürlich erscheinende Montage untergräbt Sauper leider sein Aufklärungsanliegen. Ärgerlich wird die filmische Bestandsaufnahme jedoch, wenn er Afrikaner regelrecht vorführt und sie in Englisch auf seine Fragen antworten lässt, obwohl diese sich ersichtlich kaum in dieser Fremdsprache ausdrücken können. Aus unerfindlichen Gründen dürfen "native speaker" in anderen Filmpassagen aber in ihrer afrikanischen Muttersprache berichten, die dann übersetzt wird. Trotz derart gravierender handwerklicher Mängel wurde der Film mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Europäischen Filmpreis 2004 für den besten Dokumentarfilm.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.03.2005